Schockierender Akt der Grausamkeit: Strafamputationen im Iran

Amnesty International: „Diese brutalen Strafen verstoßen in gravierender Weise gegen internationales Recht. Die Strafe der Amputation ist Folter. Die Argumente der staatlichen Stellen zugunsten der Amputation zeigen die erschreckende Unmenschlichkeit einer Strafjustiz, die auf der Ausübung von Grausamkeit beruht.“

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Am 28. Juni wurde im Zentralgefängnis der nordostiranischen Provinzhauptstadt Mashhad erneut eine Strafamputation vollstreckt. Zwei jungen Männern, die wegen Diebstahls verurteilt worden waren, wurden zwangsweise die Finger der rechten Hand amputiert. Amnesty International bezeichnete dies am 1. Juli in einer Erklärung als „schockierenden Akt der Grausamkeit“.

Nach einem Bericht der staatlichen Tageszeitung Khorasan waren beide Männer von einem Strafgericht in Mashhad zu dieser Zwangsamputation verurteilt worden. Die Männer wurden Berichten zufolge unmittelbar nachdem die Finger ihrer rechten Hand ohne Narkose abgehackt wurden und nur Daumen und Handflächen unversehrt blieben, in eine Klinik gebracht.

Amnesty International erklärte dazu: „Diese brutalen Strafen verstoßen in gravierender Weise gegen internationales Recht und gehören nicht in das System der Strafjustiz. Die Strafe der Amputation ist Folter, also ein Verbrechen nach internationalem Recht. Der Iran, Unterzeichner des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte (ICCPR), ist rechtlich verpflichtet, Folter und andere grausame, unmenschliche oder entwürdigende Behandlungen und Strafen ausnahmslos zu verbieten und diejenigen Personen zur Verantwortung zu ziehen, die solche Praktiken anordnen und ausführen.“

Im iranischen Strafgesetzbuch, so Amnesty International, seien jedoch weiterhin Körperstrafen wie Amputationen, Peitschenhiebe und Blendungen vorgesehen, die dem Verbot der Folter und anderer Misshandlungen zuwiderlaufen. Gemäß Artikel 278 des iranischen Strafgesetzbuches sei die Strafe für einen erstmaligen Diebstahl die „Amputation der vier Finger der rechten Hand des Diebes in voller Länge, sodass nur Daumen und Handfläche unversehrt bleiben.“ Ein zweiter Diebstahl werde mit der Amputation eines Teils des linken Fußes bestraft. Täter, die einen dritten und vierten Diebstahl begehen, werden mit lebenslanger Haft bzw. der Todesstrafe bestraft.

Amnesty International berichtete weiter, dass Funktionäre des Teheraner Regimes Strafamputationen immer wieder verteidigt hätten, auch solche, die öffentlich vollstreckt werden. Sie hätten diese Strafen als das beste Mittel zur Abschreckung von Dieben gepriesen und bedauert, dass sie sie wegen der internationalen Ächtung nicht so umfassend anwenden könnten, wie sie das wollten. Vor einem Monat habe Ajatollah Naeem Abadi, der Vertreter des Obersten Regimeführers in der südiranischen Provinz Hormozgan, in einer Rede bedauert, dass die Amputationsurteile nicht strikt umgesetzt werden, „wo doch die Sicherheit in einer Gesellschaft durch das Abschneiden von ein paar Fingern wiederhergestellt werden könnte.“ Auch Mohammad Javad Larijani, Leiter des sog. „Menschenrechtsrates“ des Teheraner Regimes, habe die Bedenken des UN-Menschenrechtsrates bezüglich dieser grausamen Strafen zurückgewiesen und im Oktober 2010 geleugnet, dass Körperstrafen wie Zwangsamputationen, Peitschenhiebe und Steinigungen eine Folter darstellten, während er behauptete, sie seien „kulturell gerechtfertigt.“

Amnesty International: „Weit davon entfernt, auch nur den Anschein von Gerechtigkeit und Ordnung zu vermitteln, zeigen die Argumente der staatlichen Stellen zugunsten der Amputation die erschreckende Unmenschlichkeit einer Strafjustiz, die auf der Ausübung von Grausamkeit beruht. Statt Brutalität zu legalisieren, müssen die iranischen Stellen unverzüglich alle Formen der Körperstrafen abschaffen und dringende Schritte unternehmen, um das System der Strafjustiz des Iran mit den internationalen Menschrechtsgesetzen und -standards in Einklang zu bringen.“

Die Strafe der Amputation, so Amnesty International, sei nicht nur ein eklatanter Verstoß gegen internationales Recht sondern behindere auch die Möglichkeit der Bestraften, sich wieder in die Gesellschaft zu integrieren, Arbeit zu finden und nach ihrer Freilassung für den eigenen Lebensunterhalt zu sorgen.

In der Erklärung heißt es weiter: „Die Regelungen für die Durchführung von Körperstrafen, einschließlich der Amputation, sehen im Iran die Anwesenheit eines Arztes vor, um die Strafe zu beurteilen und zu vollstrecken. Dies widerspricht direkt den ethischen Richtlinien und der internationalen Menschenrechtsgesetzgebung, die ausdrücklich die Beteiligung von Medizinern an Folter und anderen Misshandlungen untersagt.“
Gemäß der Tokioter Erklärung des Weltärztebundes dürften „Ärzte die Praxis der Folter oder andere grausame, unmenschliche oder entwürdigende Praktiken nicht unterstützen, dulden oder sich an ihnen beteiligen, egal, welchen Vergehens das Opfer einer solchen Behandlung verdächtig, angeklagt oder schuldig ist.“

Seit 2008 habe Amnesty International Berichte über mehr als zwei Dutzend Personen erhalten, die Opfer einer Amputation als gerichtlich angeordneter Strafe geworden seien. Es werde jedoch angenommen, dass die tatsächliche Zahl der Fälle viel höher sei, da die iranischen Behörden keine umfassenden Zahlen zu Amputationen veröffentlichen, um eine internationale Verurteilung zu vermeiden