Willkürjustiz im Iran: Journalisten zunehmend schutzlos vor Verfolgung

Reporter ohne Grenzen: „Anwälte, die Journalisten und Blogger verteidigen, haben nicht das Recht, mit ihren Mandanten zusammenzukommen, die Akten der Anklage einzusehen oder auch nur zu wissen, was dem Angeklagten eigentlich vorgeworfen wird. Und mindestens 20 Anwälte sind seit Juni 2009 strafrechtlich verfolgt und inhaftiert worden, weil sie politische Gefangene, darunter Journalisten und Blogger, verteidigt hatten.“

Vor 12 Jahren, im Juli 2003, starb die iranisch-kanadische Fotojournalistin Zahra Kazemi (Bild), nachdem sie im Teheraner Evin-Gefängnis schwer gefoltert worden war. Anlässlich ihres Todestages hat die Organisation Reporter ohne Grenzen, die sich weltweit für Informationsfreiheit einsetzt, auf die anhaltende Verfolgung von Journalisten unter dem Teheraner Regime aufmerksam gemacht.

Reporter ohne Grenzen äußerte sich besorgt über das neue iranische Strafverfahrensgesetz, das die Rechte von Gefangenen aus Gewissensgründen, darunter auch von Journalisten, noch weiter beschränkt. Künftig müssen sie ihren Anwalt aus einer vom obersten Justizchef genehmigten Liste auswählen.

Das am 22. Juni in Kraft getretene Strafverfahrensgesetz, so Reporter ohne Grenzen, stelle einen offensichtlichen Verstoß gegen die Artikel 9, 10 und 11 der Universellen Erklärung der Menschenrechte und des Artikels 14 des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte dar. Mehrere UN-Sonderberichterstatter haben dieses Gesetz ebenfall kritisiert und die Achtung der Rechte der Gefangenen im Iran gefordert. Sie haben wiederholt ihre Besorgnis über Verstöße gegen nationale und internationale Standards bei Gerichtsverfahren geäußert.

Reporter ohne Grenzen berichtet u.a.:

„Obwohl Anwälte bestimmt werden können, sobald es zu einer Inhaftierung kommt, haben solche, die Journalisten und Blogger verteidigen, nicht das Recht, mit ihren Mandanten zusammenzukommen, die Akten der Anklage einzusehen oder auch nur zu wissen, was dem Angeklagten eigentlich vorgeworfen wird. Und mindestens 20 Anwälte sind seit Juni 2009 strafrechtlich verfolgt und inhaftiert worden, weil sie politische Gefangene, darunter Journalisten und Blogger, verteidigt hatten.

Zu ihnen zählen Mohammad Seifzadeh, der im April 2011 verhaftet und zu 9 Jahren Gefängnis verurteilt wurde (mit anschließendem Berufsverbot von 10 Jahren) und Abdolfattah Soltani, der im März 2012 darüber informiert wurde, dass ein Teheraner Revolutionsgericht ihn zu 18 Jahren Gefängnis verurteilt hat (mit anschließendem Berufsverbot von 20 Jahren).

Die Frauenrechtlerin Narges Mohammadi wurde am 5. Mai 2015 festgenommen und sollte am 6. Juli vor Gericht gestellt werden, jedoch wurde das Gerichtsverfahren ohne Angabe eines neuen Termins verschoben. Nach Angaben ihrer Familie wurde sie festgenommen, weil sie an Protesten von Familienangehörigen von zum Tode verurteilten Sunniten teilgenommen hatte.“

Reporter ohne Grenzen zufolge haben diese Verstöße gegen grundlegende Rechte von Gefangenen im Iran zu einer Reihe von Todesfällen in der Haft geführt.

Zu den Opfern gehört Zahra Kazemi, eine Fotojournalistin mit iranischer und kanadischer Staatsangehörigkeit, die nach ihrer Festnahme am 23. Juni 2003 im Teheraner Evin-Gefängnis schwer gefoltert wurde und 17 Tage später, am 10. Juli 2003, in der Haft an den Folgen der Folter starb.

Der Blogger Sattar Beheshti starb am 3. November 2012, als er von der Cyper-Polizeieinheit FTA in Haft gehalten wurde. Sein Mit-Blogger Omidreza Mirsayafi starb unter fragwürdigen Umständen, nachdem er auf Befehl des früheren Teheraner Staatsanwalts Saeed Mortazavi festgenommen worden war, der auch die Festnahme von Kazemi angeordnet hatte.

Reporter ohne Grenzen habe mehrfach auf Mortazavis Rolle bei schweren Menschenrechtsverletzungen gegen Journalisten in den letzten 12 Jahren aufmerksam gemacht. Er müsse für seine Rolle beim Tod von Kazemi und Mirsayafi, bei der Schließung von rund 100 Zeitungen, bei der Misshandlung und Folterung von Gefangenen und bei den Urteilen gegen Hunderte von Journalisten und Bloggern in seiner Zeit als Staatsanwalt angeklagt werden.

Zahra Kazemi wurde im Juni 2003 verhaftet, als sie Familienangehörige von Inhaftierten außerhalb des Evin-Gefängnisses im Norden Teherans fotografierte. Am 26. Juni 2009 erklärte der damalige kanadische Außenminister, dass zwei offizielle Untersuchungen bestätigt hätten, dass es Mortazavi war, der Kazemis Gefangennahme und Inhaftierung angeordnet hat, die dazu führten, dass sie „zu Tode gefoltert wurde“. Mortazavi wird außerdem vorgeworfen, dass er Dokumente gefälscht hat, um seine Rolle bei ihrem Tod zu vertuschen.

Die Anwälte der Familie Kazemis haben wiederholt die Gerichtsverfahren im Iran als Farce gebrandmarkt. Ihre Versuche, leitende Justizbeamte zu Befragungen vorzuladen, waren niemals erfolgreich, sodass Schlüsselzeugen niemals ausgesagt haben. Auch Mortazavi wurde niemals befragt, obwohl er derjenige war, der die Festnahme Kazemis angeordnet hatte und auch anwesend war, als sie verhört wurde.

“Die Regierung des Iran ist in vollem Umfang verantwortlich dafür, dass meine Mutter zu Tode gefoltert wurde”, sagte Stephan Hashemi, der Sohn von Zahra Kazemi. “Das ist ein glasklarer und nachgewiesener Fall einer Vertuschung durch die iranische Regierung.”